„Sein Tod war stark übertrieben“: Mark Twains letzte autobiografische Aufzeichnungen (2024)

"Sein Tod war stark übertrieben" Mark Twains letzte autobiografische Aufzeichnungen

Mark · Mark Twain ist heute in erster Line als der Autor der Romane um Tom Sawyer und Huckleberry Finn bekannt. Aber der Mann, der eigentlich Samuel Langhorne Clemens hieß, schrieb weitere Romane und arbeitete jahrelang an seiner Autobiografie. Die dreibändige deutsche Ausgabe ist jetzt vollständig veröffentlicht.

24.01.2018, 13:54 Uhr

Tatsächlich hatten ihn etliche Zeitungen schon früher für tot erklärt, und er revanchierte sich mit dem ebenso listigen wie koketten Ausspruch: "Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben." Dieses nahezu geniale Wort schmückt nun auch als Titel den letzten Teil seiner Autobiographie.

Hier nimmt er sich den damaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt zur Brust, einen passionisierten Großwildjäger, der darauf bestand: Tiere sind dumm und zum Erschießen da.Überhaupt missbilligt Twain die Großspurigkeit des US-Präsidenten: "Lautstark spricht er von Fairness und Gerechtigkeit, ist jedoch jederzeit bereit, sie der Zweckdienlichkeit zu opfern.

Aber auch die Zeitungen kriegen ihr Fett ab. Über sie schreibt er 1907:"Dies ist ein elendes, kommerzielles Zeitalter,nur wenige können in einer solchen Armosphäre leben und von ihr unbeeinflußt bleiben." Die Presse versuche,"jede abscheuliche Nachricht, die sie auftreiben könne, abzudrucken...Wenn die bloßen Tatsachen nicht verabscheuungswürdig genug sind,übertreiben die Zeitungen sie."

Auch solche Bemerkungen zeigen die Aktualität von Mark Twain. Sein Urteil über Präsident Roosevelt kann man geradezu als Vorwegnahme einer Bewertung eines größenwahnsinnigen Nachfolgers vom Schlage Donald Trumps lesen: Egoistisch sei der US-Präsident, impulsiv, beschränkt urteilsfähig, ein Applaus heischender, grober Kerl.

In seinen Lebenserinnerungen erzählt Twain von einem Sklavenjungen, dessen ständiges Singen ihn als Kind geradezu in den Wahnsinn trieb. Seine Mutter habe ihm aber erklärt, dass dieser Junge seinen Eltern entrissen und verkauft worden sei: "Armes Ding, wenn er singt, zeigt das, dass er sich nicht daran erinnert, und das beruhigt mich; aber wenn er still ist, fürchte ich, dass er daran denkt, und das kann ich nicht ertragen."

Twains "geheime Autobiographie", die nach dem Willen des Autors erst hundert Jahre nach seinem Tod erscheinen durfte, zeigt in allen drei Bänden einen zornigen Humoristen, vor dessen Spott, Witz und Kritik nichts und niemand sicher war."Ich spreche aus dem Grab statt mit meiner lebendigen Zunge aus gutem Grund.So kann ich frei reden."

Twain diktierte ab dem Jahr 1906 sein letztes großes Werk auf der Terrasse von Upton House in New Hampshire, im Ganzen drei Laufmeter Zettelwirtschaft:"Ich bin der eselhafteste Mensch, den ich je gekannt habe." Mehrfach hatte er zu einer Autobiographie angesetzt, aber jedes Mal war er gescheitert. Als er gerade mit seiner Familie Ferien in Florenz machte, kam ihm die zündende Idee: "Beginne an irgendeinem Zeitpunkt deines Lebens, durchwandere es, wie es dir gerade lustig ist, rede ganz offen nur über das, was dich im Moment interessiert, und lasse das Thema fallen, sobald es anfängt, schal zu werden."

Kaum ein Schriftsteller seiner Zeit ist so weit in der Welt herumgekommen wie Mark Twain. Aus seinen Lesereisen wurden Welttourneen, bei denen er Stoff für weitere Bücher sammelte. Man schickte ihn nach Hawaii, und seine Reisereportagen von dort machten ihn in Amerika berühmt. Er begleitete eine Reisegruppe nach Europa und Palästina und schrieb darüber ein Reportagebuch "Die Arglosen im Ausland".

Auf diesen Reisen kam er auch nach Deutschland und holte sich im Winter 1891 in Berlin eine Lungenentzündung. Die Lungenkrankheit hat er sein Leben lang mit sich herumgetragen. Eine Überlegung im Nachhinein aus seiner Feder: "Wenn der literarisch gebildete Deutsche sich in einen Satz stürzt, sieht man nichts mehr von ihm, bis er auf der anderen Seite seines atlantischen Ozeans mit dem Verb zwischen den Zähnen wieder auftaucht."

1891 wurde Twain, den man damals nur als Mr.Clemens kannte, als Hauptgast zum Dinner bei Kaiser Wilhelm II. in Berlin eingeladen. Er hatte im Nachhinein das Gefühl, den Kaiser möglicherweise mit einem leichten Verstoß gegen die Hofetikette gekränkt zu haben - obwohl die Kaiserinmutter und die Kaiserin selbst ihn später auch zum Frühstück einluden.

Die Rache der Hohenzollern folgte elf Jahre später bei einem Dinner des Eigentümers der Staatszeitung für Prinz Heinrich bei dessen Besuch in den USA. Da durfte Mr.Clemens nicht an der Ehrentafel sitzen. Wiederum ein paar Jahre später wird ihm eine Botschaft des deutschen Kaisers übermittelt - mit der Frage, warum er seinerzeit in Berlin beim Dinner nichts gesagt habe. Twains Reaktion in seiner Autobiographie ist mit dezenter Ironie gewürzt: "Das erinnert mich an den Mann, der von einem Freund getadelt wurde. Dieser sagte: Ich finde, es ist eine Schande, dass du fünfzehn Jahre lang nicht mit deiner Frau gesprochen hast. Wie erklärst du das? Wie rechtfertigst du das? - Der arme Mann sagte :Ich wollte sie nicht unterbrechen."

In seiner "geheimen Autobiographie" meldet sich Mark Twain ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Grab. Amerikas Soldaten schilt er als "unsere uniformierten Mörder" und das Treiben an der Wallstreet als "Pesthauch", der noch hundert Jahre später über dem Land liegen werde. Er philosophiert über Fragen der Weltpolitik, arbeitet sich ab an Zeitungsmeldungen und alltäglichen Merkwürdigkeiten - und immer wieder berichtet er in einer grandiosen Mischung aus Selbstironie und kritischer Reflexion über sein Leben.

George Orwell hat Twain einen "licensed jester" genannt, einen Hofnarren. Aber Twain schreibt das, was er fühlt, schreiben zu müssen. Und er schafft Weltliteratur. Und er reflektiert über das Verhältnis zwischen Autobiographie und Roman, also zwischen Fakt und Fiktion. Aber Mark Twain war eben auch ein politischer Kopf, ein kritischer Geist, der in seiner Autobiographie kein Blatt vor den Mund nimmt und jede Rücksicht, die er wegen seiner Tochter und wegen der Verleger zu Lebzeiten üben musste, aufgibt. Die religiöse Heuchelei, die Philosophie der Selbstbereicherung und den Imperialismus der USA nimmt dieser zornige Humorist aufs Korn und geißelt sie mit großer Schärfe.

Als öffentlicher Redner war er zugleich aber auch darauf bedacht, sein Publikum zum Lachen zu bringen. So konnte man auf den Plakaten für seine Auftritte mitunter lesen: "Doors open at 7 ½.The trouble will begin at 8." Twain hat fast vierzig Jahre an seiner Autobiographie gearbeitet."In dieser Autobiographie werde ich stets im Hinterkopf behalten, dass ich aus dem Grab spreche."

Es ist - zugegeben - ein intimes Buch, aber von Verletzungen frei. In den vier Jahren vor seinem Tod hat Twain einfach diktiert, was ihm gerade zu seinem Leben eingefallen ist. Schon der erste Satz ist Twain in Reinkultur: "Hinter den Clemenses von Virginia erstreckt sich eine dunkle Prozession von Vorfahren, die bis zu Noahs Zeit zurückreicht." Und so geht es weiter. Auch mit etlichen spannenden Anekdoten, aber auch manchen zähen Schilderungen, die man durchaus missen kann. Mit dem Christentum steht er auf Kriegsfuß: "Ich habe meinen Glauben an die Unsterblichkeit schon vor langer Zeit verloren - und auch mein Interesse daran."

Dennoch lässt er sich ausführlich etwa über die "Unbefleckte Empfängnis" aus und bezeichnet sie als "Schutzbehauptung einer jungen Bauersfrau, die ihren Ehemann beschwichtigen musste." Und überhaupt das Christentum:"unsere Religion ist schrecklich. In dem unschuldigen Blut, das sie vergossen hat, könnten die Flotten der Welt in weitläufigem Komfort schwimmen."

Mark Twain: Die Nachricht von meinem Tod ist stark übertrieben. Meine letzten Geheimnisse. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser.Aufbau-Verlag.1055 S.,51,40 Euro.

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